Reisebericht

Schottland Mai / Juni 2016

Warum eine Frau nach Schottland möchte: Braveheart

Warum es oft zu lange nicht getan wird: Vorurteile über das Wetter und der irren Vermutung, dass das Essen alles andere als lecker ist.

2016 haben wir trotz Haggis und den „bekannten 4 Jahreszeiten an einem Tag“ die Koffer gepackt, um dieses wunderschöne Stückchen Land mit einer Küstenlänge von 354 Kilometer zu bereisen.

Die Anreise aus Süddeutschland lässt sich mit einem Zwischenstopp in „Mitteldeutschland“ wunderbar aufteilen. Ab Höhe Koblenz noch mal 400km zur Fähre nach Amsterdam ist ein Katzensprung und nachdem 125 Pferdestärken mit dem nötigen Gepäck bestens beladen sind, geht es auf Richtung Norden. Nach einem zwei-tätigen flotten Autobahnritt sitzen wir entspannt beim "Ankommensbier" in der Sonne auf dem Deck der „Princess Seaways“. Die Überfahrt nach Newcaste beginnt mit „tanzen auf Socken“ zu Live Musik der Bord Band (nicht mal ICH habe Tanzschuhe bei einer Motorradreise dabei) und endet in einer Minikabine. Am nächsten Morgen rollen Spontanero (meine GS 1200) und ich bei 15 Grad und bewölktem Himmel auf englischen Boden. Im Linksverkehr starten wir die 70 Meilen nach Hawik zu unserem ersten schottischen B&B. Allerdings drückt es nach dem Tankstopp den Nebel nach unten und plötzlich fahren wir durch eine dichte Nebelsuppe bei 7 Grad. Die schottische Erklärung für dicht: „Du siehst die Hand vor Augen nicht!“

Die erste Begegnung mit schottischen Gastgebern war ein einziges "ge-rolle" – ein schottisches „r“ ausgeprägter, als das Andere. An Herzlichkeit und Zuvorkommenheit ist das „warmly welcome“ jedoch nicht zu überbieten. Prompt gab es Tee und Cookies, wir plauderten so gut es ging mit dem noch nicht geläufigen „r“ über die Entstehung des Lynnwood Cottage B&B von Maggie und David und ich taute auf.

Natürlich war das erste original schottische Frühstück spannend. In den meisten B&B ist es gängig, am Abend einen Zettel auszufüllen, was man am nächsten Morgen serviert haben möchte. Prinzipiell habe ich mich stets für Porridge - zu deutsch: Haferbrei- entschieden, zudem für Haggies oder scrambled eggs mit Lachs. Die anfängliche Skepsis wich, als der feine Duft aus der Küche den Gastraum erfüllte und war wie "weggeblasen", nachdem das erste schottische Frühstück hinter uns lag.

Die Sonne lugt hier und da zwischen der Wolkendecke hervor und lädt zu unserer ersten Tagestour auf schottischem Boden nach Portpatrick ein. Zu Hause im Schwarzwald, das wusste ich von einem Telefonat mit meinen Eltern, waren dicke Jacken und warme Socken angesagt. Am Strand von Portpatrick hingegen badeten die Kinder im Atlantik und das erste heimisch gebraute „Belhaven BEST“ rundete den Tag ab. Schottland – Du gefällst uns – einen Dank an Mel Gibson 😉                                                                                                                                                                                                                                                                                        

Loch Lomond wird in vielen einheimischen Volksiedern besungen und ist um ein vieles schöner als Loch Ness. Das autofreie Dörfchen Luss ist wie aus dem Bilderbuch mit seinen Steinhäuschen und den prachtvollen Blumengärten geschmückt. Man möchte am liebsten den ganzen Tag hier verweilen und den Sagen und Mythen des Sees lauschen.

Ein Geschmack von Wind – oder was ich bisher unter Wind verstanden habe - bekamen wir auf dem Weg nach Campeltown. Gemäß jeglicher Reiseberichte hatten wir allerdings erst im Norden Schottlands mit solchen Böen gerechnet. Es heißt, ab einer Windstärke von 8 solle man das Motorradfahren einstellen. Gefühlt lag die Windstärke nur unwesentlich darunter. Wer diesem schönen Teil der Insel einen Besuch abstattet, sollte auf der Rückreise einen Stopp bei Loch Gilphed einlegen. Die fein duftenden Scones mit Birnen lassen sich bei Sonnenschein am "Loch" wunderbar genießen, bevor die Route weiter zu den "Three sisters" verläuft und einen ersten Geschmack der schottischen Berge abgibt.

Am Abend ist es ein "Muss" im sagenumwobenen Pub nahe dem Ort Glencoe ein frisch gezapftes Cairngorm Bier zu trinken. Urig, ursprünglich, voll, laut - ein einzigartiges Pub, das dort jedermann kennt.

Bei strahlendem Sonnenschein und dem "Sound" von Spontanero geht es spontan auf die "Isle of Mull". Die Fähre pendelt fast stündlich und die GS sehen, von oben auf´s Deck geschaut, aus wie Spielzeugmopeds. In Tobermory, wo einer der bekanntesten Whiskies in der ortsansässigen Distillery gebrannt wird, sind die Häuser am Hafen aufgereiht wie Perlen - bunt, bunter am buntesten. Die kleine Insel überrascht mit Stränden, die der Karibik gleichen. Türkisfarbene Buchten mit feinen Sandstränden wechseln sich ab mit einsamen "Single Roads", wo Lämmer von ihren Müttern gesäugt werden.

Doch so herrlich blau der Himmel ist: es wird zugig und ein frischer Wind zieht auf. Wo auf Erden hast Du mittags um 13 Uhr den Zauber der Karibik und sitzt 1h später am offenen Feuer in einem urigen Pub mit Einheimischen, die sich bei Whisky aufwärmen? Wunderbar - ich freue mich, dass Du meinen Reiseerzählungen aufmerksam folgst *zwinker*  Richtig - Schottland!

Das Fort Williams sollte "Mann" wohl gesehen haben, doch ich bin ja eine Frau *zwinker*. Mit voller Überzeugung lassen wir es "links liegen" (die Historiker mögen es mir verzeihen) und bestaunen stattdessen den höchsten Berg Schottlands. Mit einer Puderzuckerspitze ragt der Ben Nevis mit 1345 Metern Höhe imposant in den nun wieder blauen Himmel und voller Meilen-Drang geht es zu einem weiteren Traumziel, die "Isle of Sky".

Die Schotten selbst sind sich nicht einig, ob es eine Insel ist oder nicht. Da die Isle of Sky mit einer Brücke zum Festland verbunden ist, scheiden sich hier die Geister. Uns ist das vollkommen egal. Nachdem in Plockton ein verlockendes B&B meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, geht es an Palmen vorbei in Richtung "Nabelschnur" zur Isle of Sky. Es ist warm und mild. Der Einfluss des Golfstroms ist hier deutlich zu spüren und die prächtige Vegetation bestätigt, dass der heutige Tag keine Ausnahme ist.

Kennst Du eine Insel, die so schön ist wie "im Himmel"? Ließ weiter – hier kommt sie! Von Süden bis Norden ist dieses Eiland ein Traum! Wer Steilklippen und senkrecht abfallende Felsen bevorzugt, wird im Norden bei Kilmuir staunen. Eines der individuellsten Cafe`s - das JANNS - liegt auf dem Weg zum Schloss Dunvegan. Das Städtchen Portree besticht durch bunte, wunderschöne Häuser und hervorragende Muschelgerichte schottischer Art.

Ganz gewiss trennt sich jeder Besucher ungern von der Isle of Sky, doch das folgende Moped-Highlight, die Applecross Street wartet. Hierzu nur Eines: mehr einsames Schottland Feeling geht nicht - ein Traum für jeden motorisierten Zweiradfan.

Doch es geht noch weiter Richtung Norden und auch das Wetter wird endlich mal so richtig klischeehaft. In den nordwestlichen Highlands liegt Durness mit unberührten Sandstränden, an welchen sich Seevögel und Seehunde tummeln. Hartgesottene Motorradfahrer schlagen bei "Wind und Wetter" ihre Zelte auf. Ich bin froh, im B&B Wild Orchide ein trockenes Plätzchen gefunden zu haben.

Auf der weiteren Route nach Ullapool springen plötzlich "Venisons" auf die Straße. Bislang hatte ich ein paar mal in Schottland, „Venisions“ auf dem Teller - es gibt leckere Venison Burger. Doch wenn unerwartet eine Herde Hirsche anmutig die Straße überqueren und anschließend nacheinander durch den Fluss laufen, so möchte man die Tiere lieber lebendig und in freier Wildbahn beobachten, als mit Wedges serviert bekommen.

Die Übernachtungen in den meisten Castles sind nur unwesentlich teurer, als in anderen Hotels. So gönnt Euch eine Nacht mit historischem Flair. Das "Duness Castle" und viele weitere gastronomisch betriebene Schlösser laden dazu ein.

Kannst Du Dir ein Schottland ohne Whisky vorstellen? Bei dem Whisky Trail mit dem Endziel Pennan heißt es: stark sein! Whisky Verkostungen unterwegs werden viele angeboten, doch auf dem Moped ist Alkohol ein "no go". Zum Glück ist viel Platz im Gepäck, so dass ich nicht nur eine Flasche Glenfarclas mitnehme, sondern auch Dosen mit Haggis, welche mit Whisky verfeinert sind. In Pennan wandert Ihr übrigens auf den Spuren von Burt Lancester, der dieses kleine Dorf, bestehend aus nur einer Straße, als Filmkulisse genutzt hat.

Ungern, doch beständig, rollen die Räder weiter Richtung Süden. Die traumhafte Route über den Loch Rannoch bringt Grüntöne in den unterschiedlichsten Farben hervor. Es ist kaum zu glauben, wie die Natur solch ein vielfältiges Farbenspiel prächtig in Szene setzt.

Edingburgh ist sicher eine tolle Stadt. Doch nach der Ruhe in den Highlands, den einsamen "Single Trails", den "Lochs" mit klarem, frischem Wasser und kleinen verträumten Fischerhäfen, ist der Großstadtrummel nicht im geringsten nach meinem Geschmack.

So geht es weiter Richtung Newcastle mit wundervollen Impressionen im Gepäck und zahllosen Eindrücken von Schottland: eine Woche Sonne pur am Stück, durchgängig das "friendly welcome" auf einer Fläche von 78.772 km², den schönsten und einsamsten Motorradstrecken, die sich unsereins vorstellen kann und einer ursprünglichen Naturlandschaft. So wünsche ich mir, dass jeder Reisende dieses Fleckchen Erde so verlässt, wie er es vorgefunden hat.